Album der Woche #32-2022 – „Late in Berlin“ by Brainwork

Das Album könnt ihr hier bestellen.

Endlich! Nach all den unkalkulierbaren Erwartungen schenkt uns Brainwork ein Album der reinen Berliner Schule. Retro Berlin School im Zeichen der großen Pioniere der 70er Jahre, Klaus Schulze und Tangerine Dream.

Eine bläuliche Synthie-Schicht hat noch nicht einmal die Höhe unserer Ohren erreicht, als ein Glockengeläut den Titeltrack einleitet. Eine pulsierende Basslinie beginnt auf der Stelle zu springen, attackiert von den schrillen Tönen einiger Glocken. Ein Ätherschleier legt sich über die scharfen Strahlen, und ein paar Sekunden später kommen die Becken, um entweder die Bassimpulse oder diesen wogenden Schleier zu picken. Es vergehen keine zwei Minuten, in denen der Titel an Intensität zunimmt. Und das Schlagzeug, das nach etwa 28 Sekunden in der zweiten Minute einsetzt, imitiert einen Harald Grosskopf, der einen furiosen Luftrhythmus modelliert wie ein Krake, dem ein Tentakel fehlt. Erinnern Sie sich an Moondawn? Die folgenden Soli sind davon inspiriert. Das nervöse Spiel der Percussions unterstützt eine funkelnde Bewegung des Keyboards/Synths, die eine faszinierende Melodie formt, die die sehr himmlischen Synthesizer-Soli mit ihren leidenschaftlichen Impulsen liebkosen. Late in Berlin erfüllt die Hoffnungen, die die Fans von Uwe Saher schon immer hatten, denn Brainwork hat uns auf vielen Alben schon zu oft einen saftigen Track der Berliner Schule präsentiert. Und dieses Album ist mit seinen 68 Minuten voll davon. Aber es ist nicht nur Klaus, den Uwe mit uns teilen möchte. Ein Stück wie Roll In ist inspiriert von Tangerine Dream und insbesondere den Strukturen von Silver Scale. Orchestrationen und neblige Sprühnebel bestimmen den Anfang, bis eine flirrende Bewegung aus hüpfenden Arpeggien die Skizze eines elektronischen Rocks entwirft, der von einer wütenden Basslinie übernommen wird. Die Percussions werden in diesen ansteigenden Rhythmus eingebunden, während Pads und Keyboard-Riffs die Basis von Silver Scale bilden. Über fast 20 Minuten hinweg arbeitet Brainwork mit einer fast identischen Rhythmusstruktur, die plötzliche Wendungen einfügt, alles sehr rockig, während der Synthesizer arabische Harmonien und ein sehr gutes Solo nach der elften Minute einsetzt. Dies ist ein großartiger Track, wenn man sich für die 81-82er Tour von TD interessiert!

LATE IN BERLIN besteht aus 4 Tracks, von denen 2 von Klaus Schulze beeinflusst oder ihm gewidmet sind. Die anderen 2 sind für Tangerine Dream. Und nach ein paar Mal hören ist Black Lake mein Lieblingstrack auf diesem brandneuen Brainwork-Album geworden. Seine 25 Minuten sind um Schulzes modernere Strukturen herumgeblasen. Minimalistisch, die rhythmische Struktur ebbt und fließt in einer Choreographie, die von den Stößen des Sequenzers und der Percussions angetrieben wird. Eine wirbelnde Sequenz macht diese Struktur flüssiger und explodiert mit Percussions, die etwas zurückhaltender sind als im Titeltrack. Flöten, Gesangsschichten, Orchestrierungen und Synthesizer-Soli sowie Geigenquartette folgen einander auf diesem Track, der zwischen den Episoden von Inter*Face und Miditerranean Pads flirtet. Ohne verwirrende und aggressive orchestrale Ausbrüche ist dieser Black Lake von einer betörenden minimalistischen Göttlichkeit. Final Data ist ein wilder elektronischer Rock a la Tangerine Dream mit einem furiosen Synthesizer-Solo, das seine Identität gegen die einer Gitarre unter einem Sequenzer eintauschen möchte, die ihre hüpfenden Bälle im Chris Franke-Modus dribbelt. Es klingt wie die Unerschrockenheit von The Soldier mit dem Kern von Horns of Doom und einem Hauch von Synth-Pop, Genre Visage und deren Hitsingle Fade to Grey.

LATE IN BERLIN ist eine fabelhafte Brainwork-Note an die beiden Legenden der Berliner Schule: Klaus Schulze und Tangerine Dream. Die große Stärke dieses Albums ist die Balance zwischen der ätherischen Prosa von KS und dem ungezügelten elektronischen Rock von TD. Es besteht kein Zweifel, dass Fans dieser beiden Legenden jede Minute dieses Albums verschlingen werden. 5 Sterne? Ja! Für die Erinnerungen und den wahren Geist der Berliner Schule in LATE IN BERLIN.

Sylvain Lupari (18. September 2021) *****

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